Coming Out Day-Botschafter: Thomas Hermanns

„Coming out’s a dirty job – but somebody’s got to do it!

Ich hatte Glück. Nachdem ich es nun endlich übers Herz gebracht hatte, die zehn Schritte von meinem Jugendzimmer ins Wohnzimmer zu meinen Eltern zu machen, (die sich an diesem Abend anfühlten wie zehn Kilometer) und den klassischen Satz „Ich muss Euch etwas sagen…“ über die Lippen gestemmt hatte (es gibt immer noch keinen besseren Anfang, es ist egal wie man anfängt, Hauptsache man tut es), war alles gar nicht so schlimm. Die ersten Fakten genannt, die ersten elterlichen Sorgen besprochen und dann die riesige Erleichterung: Man wird nicht verstoßen, man ist immer noch das Kind, man wird immer noch geliebt.

Thomas Hermanns

So einfach kann es sein und so einfach fühlt es sich auch heute, 26 Jahre später, immer noch an, wenn ich mit meinen Eltern und meinem Freund irgendwo sitze und esse, in Urlaub fahre oder Weihnachtsfotos tausche. We are family, wie man es immer so leicht summt.
Aber damit das eintreten konnte, waren eine ganze Menge nicht so einfache Schritte erforderlich: Zum einen das jahrelange eigene Spüren, Ahnen, Wegdrücken, Befürchten, das immer in den ganzen Coming Out Filmen so schick-sensibel aussieht, weil auch die Hauptdarsteller immer alle so schick-sensibel aussehen (und kontemplativ im Abendrot zum Baggersee radeln) – Fakt ist: In dieser Situation fühlt man sich alles Andere als schick. Und das Sensible nützt einem ja nichts, das trennt einen ja gerade von seiner Clique und ist deshalb ja hoch suspekt. Zum Anderen mussten natürlich vor allem meine Eltern ihr ganzes Leben lang die richtigen Schritte tun, um auf diesen Moment vorbereitet zu sein – an ihr Kind glauben, es lieben, absolut, no matter what.

Viele Eltern können das nicht, das habe ich inzwischen oft gehört und gelernt. Und ihre Schritte kann man ja als Kind nicht beeinflussen, man geht ja nicht vorher jahrelang mit ihnen in einen Coming Out Vorbereitungskurs bei der Volkshochschule. Das Problem beim Coming Out wie immer im Leben: Timing. Bist du bereit? Sind sie bereit? Oder ist es egal und es muss jetzt einfach raus? Ich neige zum Letzteren. Wie bei der Liebeserklärung gibt es beim Coning Out keinen perfekten Moment. Die Eltern sitzen nicht in Sonntagstaat und Sonntagslaune am Frühstückstisch und sprechen gerade darüber, dass doch dieser nette Moderator vom Quatsch Comedy Club schwul ist und dass ihnen das auch nie etwas ausmachen würde, auch nicht bei ihren eigenen Kindern. Stichwort für Dich: Wo ihr gerade beim Thema seid…

So läuft es nicht. Und deshalb stimmen leider alle Power Balladen und Talkshow Weisheiten: Du musst den ersten Schritt tun, egal wann und egal wie. Dann kann es klappen. Oder es wird erstmal schwierig. Wir ahnten es ja schon: Life’s a bitch. And then you move on.

Ich hatte Glück. Und ich wünsche Euch Glück.
Thomas Hermanns"
Thomas Hermanns

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